Weihnachtswunder

In meiner Kindheit liebte ich eine Weihnachtsgeschichte ganz besonders, in der von der Heiligen Nacht bei den Hirten auf dem Felde erzählt wurde, dieser Nacht voller Wunder mit dem verheißungsvollen Stern am Himmel, in der die Kälte nicht zu spüren war, das Feuer nur wärmte, aber nicht brannte, der Hunger nicht quälte, alle Menschen gut und freundlich zueinander waren und als Zeichen der wundersamen Einheit von Mensch und Natur die Menschen die Sprache der Tiere verstehen konnten.

Das ist es ja, was ich mir manchmal wünsche. Könnte ich sie doch verstehen, unsere Hunde, könnte ich sie wirklich verstehen, ohne für die Deutung ihres Verhaltens, ihrer Körpersprache, schlaue Bücher zur Hand nehmen zu müssen, die, auch von Menschen geschrieben, doch nur einen kleinen Fingerzeig geben können.

Ich stelle mir also vor, ich würde sie wirklich mal verstehen können, meine beiden, die da jetzt so ruhig mir zu Füssen liegen und ab und an mal zu mir aufschauen. Meine Suki, die gerade jetzt ihre klugen, freundlichen Augen auf mich richtet, würde mir zum Beispiel vielleicht sagen

„Warum machst du dir so einen Stress, meine Liebe, wenn du mit mir nach draussen gehst ? Dein Buch „Wie beschäftige ich meinen Hund sinnvoll auf dem täglichen Spaziergang“ kannst du getrost beiseite legen. Du müsstest es doch allmählich wissen, dass ich kein Kilometerfresser bin und auch kein besonderes Programm brauche, sondern dass es mein allgergrösstes Vergnügen ist, unseren Weg zentimeterweise abzuschnüffeln, ganz in aller Ruhe. Es ist für mich das Wichtigste überhaupt, zu erfahren, wer schon alles unterwegs war und die zahllosen Botschaften zu entschlüsseln, die für dich armes Menschenkind ein ewiges Rätsel bleiben werden.

Und der „Blickkontakt“ auf dem du immer bestehst, wenigstens zwischendurch, und mich zu diesem Zweck energisch beim Namen rufst, weil Du in einem Seminar gelernt hast, dass das wichtig ist, wenn man der Boss sein will, der stört mich doch nur bei meinen Aktivitäten! Wir verstehen uns doch auch so, rein intuitiv . Hauptsache, du kapierst, wo ich hin will …“.

Und Tora, mein Tora in der Reife seiner acht Jahre, würde mir vielleicht sagen

„Manchmal bist du ja ein bisschen zimperlich, es macht doch Spaß, Nachbars Katze zu jagen und wenn die so blöd ist, quer durch den ganzen Garten zu rennen statt auf den nächsten Baum und ich sie schon fast erwischt habe, das freche Ding, da schreist du so laut auf mich ein, dass ich doch mal zu dir hinschaue, was du schon wieder hast, und schon hat sie mir einen Kratzer übers Ohr gezogen und ist weg. Wie kannst du mir nur so den Spaß verderben?

Und beim Spazierengehen kannst du doch nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich ohne auch nur ein kleines bisschen zu knurren oder die Zähne zu zeigen, an meinen Revier-Feinden vorbeigehe. Zugegeben, das sieht manchmal wirklich furchterregend aus, was ich da veranstalte, aber das soll es ja auch, sonst hat doch keiner mehr Respekt vor mir in unserer Nachbarschaft …“.

Solches und noch vieles andere würde ich wahrscheinlich zu hören bekommen und im Ernst, ich werde es kommende Weihnachten, wenn ich mit meinen beiden über die hoffentlich verschneiten Felder gehe und den Stern am Himmel sehe und es ganz still um mich herum ist, mal probieren, sie zu verstehen. Vielleicht klappt es ja diesmal. Und wer weiss, vielleicht probiert Ihr es auch?

Euch allen eine frohe und friedliche Weihnacht!

Bettina Pinnekamp